Forget your past

Ein verlassenes monströses Monument in den Bergen des Balkangebirges. Das Buzludzha Monument. Als wir davon hörten, wussten wir: Dort müssen wir hin!

Auf dem Gipfel des Mount Buzludzha steht es, dieses sowietisches Monster. An diesem außergewöhnlichen Ort bulgarischer Geschichte, schlug im Jahre 1877 eine Truppe von 7 500 bulgarischen und russischen Rebellen eine Übermacht von knapp 40 000 Türken in die Flucht und beendete damit in einer epischen Schlacht die über 500 Jahre dauernde Herrschaft der Osamanen.

1981 auf dem Höhepunkt sowjetischer Macht von rund 6000 Arbeiter nach über 7 Jahren fertigestellt, galt das Buzludzha Monument als eines der herausragendsten Objekte der Kommunistischen Welt. Der rote Stern, der den 107m hohen Turm ziert, war drei mal so groß wie der Stern über dem Kreml. Damit war Buzludzha ein Symbol für die Macht des Kommunismus und demonstrierte auch die herausragende Stellung Bulgariens.

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Doch nach dem Zerfall der Sowjet-Union verfiel auch das Symbol der Macht. Zunächst war es Vanalismus ausgesetzt, dann geriet es in Vergessenheit. Viele Bulgaren wollten mit der Vergangenheit nichts mehr zu tun haben und diese Haltung kam auch durch die Worte zum Ausdruck, die lange Zeit über dem Eingang standen: forget your past.

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Aus „forget your past“ wurde „never forget your past“. Viele Bulgaren wollten nach dem Ende des Sozialismus nichts mehr mit der sozialistischen Vergangenheit zu tun haben. Das Wort „never“ wurde von Unbekannten erst vor wenigen Monaten hinzugefügt. Die neue Botschaft: Vergesse die Vergangenheit nicht, sondern halte sie dir vor Augen und lerne aus ihr.

 


 

Reise nach Buzludzha

Offiziell ist der Zutritt zum Monument verboten und  der einzige Eingang ist seit Jahren sicher verschlossen. In einem Internetforum lasen wir jedoch, dass es eine Möglichkeit gäbe durch ein zerbrochenes Fenster ins Innere zu gelangen. Das war von nun an der Plan! Alexander, unser bulgarischer Gastgeber, vermittelte uns einen hilfreichen Kontakt: Vesco, ein selbständiger Bergführer und Abenteurer, der in der Nähe des Monuments lebt und sich auskennt.

Von der Schwarzmeerküste trampten wir also ins Landesinnere nach Plovdiv, die größte Stadt in der Umgebung des Buzludzha Nationalpark und damit unser Ausgangspunkt. Von dort aus wollten wir weiter über Kasanlak einen Weg auf den Berg finden.

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In Plovdiv angekommen, trafen wir uns noch am selben Abend mit unserem Kontakt Vesco. Ein kleiner gedrungener Typ mit langen lockigen Haaren. Ein Naturbursche wie er im Buche steht, der vor Energie nur so sprudelt. Er meinte, dass er morgen früh sowieso nach Kasanlak fahren würde und wir gerne mitfahren könnten, von dort aus wären es dann nur noch etwa 10km.

Also trafen wir ihn am nächsten Morgen wieder und auf der Fahrt erzählte er uns von dem besagten Eingang zum Monument. Er erzählte uns aber noch mehr: Es gebe ein Weg auf die Spitze des 107m hohen Turms. Den Weg dort hin müsse man jedoch kennen, da der ursprüngliche Zugang zugemauert wurde und es nicht möglich sei diesen Weg zufällig zu finden!

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Nach einer dreiviertel Stunde Fahrt hielt Vesco an einer Kreuzung an. Hier startete der historische Schipka-Pass, der höchste Pass in Bulgarien überhaupt und er meinte: „Ab hier komme ich mit meinem Auto nicht mehr weiter, aber es sind nur noch 12km.“ Dann erklärte er uns weiter: „Wenn ihr oben angekommen seid, merkt euch: Es gibt zwei Hütten. Eine große und eine kleine. Ihr wollt zur kleinen: ‚Malka‘! Dort fragte ihr nach Simeon! Er kennt den Weg in den Turm. Sagt ihm einen Gruß von mir!“

Als zufällig ein Geländewagen vorbei fuhr, war Vesco sofort auf der Hut und hielt ihn an. Er erklärte dem Fahrer wohin wir wollten und drückte uns noch zwei grüne Äpfel in die Hand während wir einstiegen. Dann war er mit einem Satz auch schon wieder in seinem Auto verschwunden.

Oben angekommen, lies uns der Fahrer des Geländewagens aussteigen und wir sahen das Monument zum ersten Mal mit eigenen Augen. Wir waren schon jetzt beeindruckt. Doch wir mussten nun irgendwie diese Hütte finden – ohne genau zu wissen, wo wir suchen sollten. Wir liefen auf Verdacht in Richtung Wald zu einer kleinen Abzweigung. Dort liefen wir in den Wald und kamen tatsächlich zu einer Hütte. Dort klingelten wir und liefen um die Hütte herum, doch es schien ziemlich verlassen. Wir waren etwas ratlos, und beschlossen wieder zurückzugehen. Auf der Straße entdeckten wir dann eine kleine Treppe, die wir versuchen wollten. Sie führte in den Wald hinauf und wir kamen wir zu einer Lichtung, wo wir eine weitere Hütte sahen und einen Hund bellen hörten. Ein gutes Zeichen. Wieder liefen zur Tür und klopften.

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Ein junger Typ öffnete die Türe. Ohne genau zu wissen wo wir waren, sagten wir: „Wir suchen nach Simeon! Wir sind Freunde von Vesco.“ Woraufhin er entgegnete: „Okay. Kommt rein!“ Als wir die Hütte betraten und unsere Schuhe auszogen, war ich mir noch nicht ganz sicher und hakte nach, ob er Simeon denn kenne. „Ich bin Simeon.“, antwortete er. Er war 22 Jahre alt und dabei sein Geschichtsstudium zu beenden. Sein Plan ist es sein geschichtliches Wissen mit seinem Job als Bergführer zu verbinden. Später erzählte er mir davon, wie er sich eigene Touren in den Bergen und Täler überlegt, um den Leute die historische Vergangenheit dieser Orte näher zu bringen.

SimeonAls wir ihm von unserem Plan erzählten, grinste er und meinte: „Okay ich kann euch den Weg zeigen.“ Nachdem wir unsere Betten bezogen hatten und gegessen hatten, rüsteten wir uns mit Stirnlampen aus und machten wir uns dann auf den Weg.

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Wir liefen einem Pfad entlang, der sich den Wald nach oben schlängelte. Auf dem Weg meinte Simeon, dass er froh sei, dass wir gekommen seien, weil hier schon länger niemand mehr wegen dem Monument da gewesen sei.

DSC01007 Irgendwann verliesen wir den Pfad und stiegen einen steilen Hang hinauf, wo wir bald die Baumgrenze erreichten. Als wir den Wald verliesen tat sich dort hinter den Wolken das machtvolle und bizarre Objekt hervor. Wir waren da.


Der Weg ins Innere von Buzludzha

Von hier aus führte ein steiniger Pfad den Bergkamm hinauf zum Gipfel und als wir direkt vor dem Koloss aus Beton standen, war ich einfach nur beeindruckt von der schieren Gewalt des Monuments.

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Beide Seiten des Eingangs wurden von steinernen kyrillischen Buchstaben geziert. In einem altem bulgarischen Dialekt heißt es:


Auf die Füße, verachtete Kameraden,
Auf die Füße, ihr Sklaven der Arbeit!
Unterdrückt und gedemütigt, steht auf gegen den Feind!
Lasst uns, ohne Gnade, ohne Vergebung,  das alte, verdorbene System zerstören…
Arbeitende Männer, arbeitende Frauen, aus allen Länder der Welt, kommt zusammen nach vorn!
Kameraden ohne Angst  vollbringt große Taten!
Um zu arbeiten und zu erschaffen…


Wir liefen am Gebäude entlang und fanden hinter einem Gebüsch einen kleinen Spalt in der Mauer. „Dies ist der erste Eingang, er führt in den Keller.“, bemerkte Simeon. Da dieser Spalt jedoch viel zu klein war, liefen weiter und kamen zu einem weiteren Loch. „Das ist unser Eingang.“, sagte er. Hier erklärte uns Simeon noch einmal, dass wir auf eigene Gefahr in das Monument gehen: „Ich habe bisher noch nichts davon gehört, dass hier jemand ums Leben gekommen wäre, aber es könnten eben Dinge herunterfliegen oder nicht mehr so stabil sein, das müsst ihr wissen.“

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Dann zog er seine Kopflampe an und kletterte durch den schmalen Spalt ins Innere. Wir kletterten hinterher. Im Inneren schalteten wir unsere Stirnlampen ein und sahen, dass wir in einem Treppenhaus waren. Wir stiegen die Treppe empor, vorbei an den grauen Wänden und über Haufen aus Schutt.

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Und ganz plötzlich am Ende der Treppen offenbarte sich uns der Anblick des beindruckenden Hauptsaals. Gruselig und mächtig zugleich.

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Ich stellte mir vor, wie es hier damals gewesen war und was für ein Gefühl der Redner in der Mitte das Saales wohl hatte, als er seine Rede hielt.

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The Buzludzha Monument (Buzludja, Бузлуджа) Mount Buzludzha (1441m) Buzludzha National Park Central Balkan Mountain Range (Stara Planinia, Стара планина) Bulgaria Photo: Copyright TIMOTHY ALLEN http://humanplanet.com

Vom Hauptsaal führen Treppen zum äußeren Korridor.

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Von den damaligen Fenstern, die aus dem modersten und stabilsten Glas jener Zeit hergestellt waren, ist nichts geblieben. Die Aussicht über die Berge ins Tal jedoch ist unverändert beeindruckend.

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Der Komplex wurde von Architekt Georgi Stoilov entworfen und für die Gestaltung der Wandbilder haben mehr als 60 bulgarischen Künstlern zusammengearbeitet.

The Buzludzha Monument (Buzludja, Бузлуджа) Mount Buzludzha (1441m) Buzludzha National Park Central Balkan Mountain Range (Stara Planinia, Стара планина) Bulgaria Photo: Copyright TIMOTHY ALLEN http://humanplanet.com

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Doch neben diesem gewaltigen Hauptsaal und dem äußeren Korridor gab es noch deutlich mehr zu erkunden. Besonders das Netzwerk von Tunneln und Gängen, welches seit Jahren verlassen scheint, übte eine gewisse Faszination auf mich aus.

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In der Mitte Dimitar Blagoev, ein Idealist und Philosoph, der häufig als Gründer des bulgarischen Sozialsmus aufgeführt wird. Rechts daneben Georgi Dimitrov, ein weiterer bedeutender bulgarischer Politiker der Kommunistischen Partei.

Vom Hauptsaal aus führen mehrere Treppen hinunter in die Kellersäle. Dort suchten wir den Weg zum Turm. Doch das System von Tunneln und Gängen erinnerte mich eher an ein Labyrinth. Wir durchsuchten alle Säle, doch selbst Simeon konnte den Weg nicht mehr finden. Die Treppen und Räume sahen auf eine Art alle gleich aus und ich hatte irgendwann das Gefühl, dass wir immer wieder die selben Treppen auf und ab liefen und in den selben Räumen nachsahen. Dann hörte ich Simeon rufen: „Ich habe es gefunden!“

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Versteckt unter einer großen Treppe war ein schmaler Gang. Dies war der unterirdische Weg zum Turm. Hier war es finster, denn es gab weder Fenster noch Spalten durch die Licht kommen könnte. Wir stiegen durch zerfallene Räume und modrige Gänge, schwer vorzustellen wie prachtvoll es hier einmal gewesen war.

Am Ende mussten wir eine Treppe voller Schutt hinabsteigen bis wir schließlich in einen kleinen Raum kamen, in dem eine Leiter nach oben führt. Die Leiter zur Spitze des Turms. Ab hier verabschiedete sich Simeon und Tomek und ich fingen an die Leiter nach oben zu steigen.

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Nach etwa fünfzehn Minuten kletterten wir aus einem Schacht wieder ans Tageslicht.

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IMG_0109Auf der Spitze des Monuments

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Zu unserer Überraschung trafen wir hier oben einen alten Bekannten namens Vesco. Wir sahen hier oben sowohl Sonnenuntergang, als auch Sonnenaufgang und blieben insgesamt fünf Tage in den Bergen, um in dem Monument so viele Ecken und Winkel wie möglich zu erkunden.

Die Zukunft von Buzludzha ist jedoch ungewiss. Es könnte restauriert werden, was jedoch sehr teuer wäre. Auch der Vorschlag es komplett abzureisen steht im Raum. Die meisten bevorzugen jedoch wohl die einfache Alternative, gar nichts mit dem Monument zu machen – getreu dem Motto ‚forget your past‘.


 

Danke an Tomasz Pawlik für die großartigen Bilder.