So trampt man durch China (Pt. 5/6)

Nach einigen Tagen hatte ich meine Technik zum Trampen gefunden. Ich ließ mich bei Raststätten oder der Autobahnpolizei aussteigen und zeigte den Leuten meinen chinesischen Brief. Mittlerweile hatte ich zwei Briefe: Einen, den ich vor der Fahrt zeige. Er erklärt das Konzept des Trampen und, dass ich ein Tourist aus Deutschland. Ich zeige ihn den Leuten und meistens erledigt sich dann alles fast von selbst.

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Sobald man dann im Auto sitzt, ist man Gast. Man wird mit Wasser ausgestattet oder zum Essen eingeladen. Im Auto zeige ich dann den zweiten Brief. Er beantwortet alle häufigen Fragen über mich: Wie lange ich reise, in welchen Ländern ich war und gehen werde, was ich in Deutschland mache etc.

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So verbrachte ich die nächste Zeit auf den chinesischen Rasthöfen und in den Autos.

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Es ging vorbei an den vielen verschiedenen Landschaften: Berge, Reisfelder, die Gobi-Wüste sowie mehrere Atom- und Kohlekraftwerke.

Am Abend suche ich einen Platz zum schlafen in den Raststätten. Ich schaue mich um und entdecke eine Feuerwehr-Leiter, die auf das Dach führt. Ich schaue mich um und quetsche mich dann mit meinem Rucksack in die Leiter. Ich klettere mehrere Meter die Leiter nach oben bis auf das Dach der Raststätte. Von dort aus schaue auf den rotgetränkten Himmel. Ich blicke über die Autobahn und beobachte den Sonnenuntergang. Hier schlafe ich.

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Morgens auf dem Dach einer chinesischen Autobahnraststätte

Nachdem ich am nächsten Morgen einige Absagen erhalten hatte, sehe ich einen weißen AMG-Mercedes. Ich spreche den jungen Besitzer an, auch wenn ich nicht glaubte, dass er mich mitnehmen möchte. Er las sich meinen Brief durch und schaute mich an. Er schien zu zögern. Mit meinem charmentesten Lächeln, das ich hervorbringe, sage ich „Deutsch“ auf Chinesisch und zeige auf mich. Er stimmt zu mich mitzunehmen.

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Sein Name war Chen und ich wir verstanden uns ziemlich gut. Trotz leichter Sprachbarrieren war es lustig mit ihm. Ich fuhr 400km mit ihm und er nahm mich mit nach Zhongye.

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Dort aßen wir ausgiebig und tranken ein Bier. Nachdem wir gegessen hatten, fragte er mich wo ich den schlafen werde. Ich antworte, dass ich mir entweder ein günstiges Hotel nehme oder irgendwo im Zelt schlafe. Er übersetzte mit seinem Handy: „I invite you to live.“ und lädt mich in ein 5-Sterne Hotel ein.

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Am folgenden Morgen finde die Hochzeit seiner Cousine statt. Ich könne auch mitkommen, meinte er. Natürlich konnte ich da nur zusagen. Am nächsten Morgen gab es im Hotel chinesisches Frühstück.

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Danach stiegen wir in seinen Mercedes und fuhren unter Musik von Alan Walker durch die Stadt. Wir fuhren zum Haus des Vaters der Braut. Dort fand die erste Phase der Vermählung statt. Der Bräutigam musste der Braut ein traditionelles rotes Gewand anziehen. Alles ganz vorsichtig und sorgfältig.

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Mit der Kolonne von schwarzen Mercedesen fuhren wir von dem Haus in ein Hotel.

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Dort kamen wir in einem riesigen Saal mit geschätzt 300 Leuten an. Es war voller Prunk, Luxus und Extravaganz. Ich hatte das Gefühl, dass es hier auch um Status geht.

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Die Show ist gewaltig und ich muss zugeben, dass ich teilweise auch berührt bin. Als die Braut langsam den Roten Teppich entlang lächelt mir zu und ich sehe die Rührung in ihren Augen. Eine Träne sitzt auf ihrer Wange. Der Bräutigam versucht die Fassung zu bewahren. Auf der riesen Leinwand auf der Bühne läuft ein Video mit Bildern der beiden. Im Hintergrund läuft dramatisch emotionale Musik. Alles ist perfekt inszeniert. Während dem Essen übersetzt auf seinem Handy: „Die Hochzeiten hier sind zu einer Luxusveranstaltung geworden. Nicht gut.“

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Danach fahren wir zu seinem Großvater, wo wir auch schlafen und schauen uns dort das Finale der NBA bei einem gemeinsamen Bier an.

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Am nächsten Morgen nachdem wir gefrühstückt haben, kauft Chen mir eine chinesische Sim-Karte auf seinen Namen und als diese in meinem Handy nicht funktioniert kauft er mir einfach noch ein Smartphone dazu. Dann bringt er mich auf die Raststätte auf der Autobahn und organisiert mir ein Auto für die ersten 300km. Bevor ich gehe streckt er mir noch 500 Yuan (etwa 70€) entgegen. Strikt lehne ich das Geld ab. Das will ich auf gar keinen Fall annehmen. Daraufhin steckt er es einfach wortlos in meine Tasche und meint: „For eating.“

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Ich schaffe es an einem Tag nach Lanzhou und ich habe eine grauenhafte Nacht dort. Keines der Hostels darf Ausländer annehmen. Es wurde eine lange Nacht mit einem dubiosen Gespräch über James Bond und andere Agenten…