Am nächsten Morgen, als wir ein paar Stunden Schlaf in der Tankstelle gefunden hatten, packten wir bei Tagensanbruch unsere Rucksäcke und gingen hinaus in den Winter. Es schneite und wir freuten uns darüber. Wir liefen aus der Stadt und vorbei an dem Waldstück, aus dem wir in der Nacht gekommen waren, bis wir schließlich bei unserer angepeilten Autobahnauffahrt ankamen. Von hier aus wollten wir in Richtung Bukarest trampen. Es schneinte heftig und es war verdammt kalt. Trampen im Winter, warum nicht?
Wir stellten uns direkt auf die Auffahrt und der Wind blies durch unsere zugezogenen Kaputzen. Wir waren bald sehr nass und begannen zu frieren. Das Problem war, es gab keinen guten Platz zum Trampen hier, von dem aus wir nach Bukarest trampen konnten. Wir hatten mehrere Plätze ausprobiert und standen nun an einer Bushaltestelle, an die uns ein Taxifahrer kostenlos gebracht hatte, weil er meinte, dass es ein besserer Platz sei. Dort beschloss ich nachdem wir 2 Stunden in Kälte herumgestanden hatten und ich total verfroren war, meine nassen Sachen auszuziehen, meinen Schlafsack herauszuholen, um mich darin ein bisschen zu wärmen. Eine ältere Frau kam vorbei und sagte etwas auf Rumänisch. Wir verstanden nichts, aber sie schien sich darüber zu amüsieren, dass ich hier mit meinem Schlafsack auf dem Boden liege. Jedenfalls ging es mir danach deutlich besser.
Es hielten jedoch so gut wie keine Autos an und die, die anhielten gingen alle nur nach Deva, die Stadt, aus der wir gerade kamen. Nach etwa 4 Stunden hielt ein Rumäne an. Er sprach kein Englisch, aber er wollte tatsächlich bis nach Bukarest. Wir fragten ihn, ob er Geld für die Fahrt wolle – was in Rumänien nicht unüblich ist. Daraufhin meinte er „un million!“ Wir mussten lachen, aber er schien es ernstzumeinen. Er erhoffte sich hier wohl den ganz großen Jackpot. Als wir ihm zeigten, dass wir kaum Geld haben, machte er eine enttäuschte Mine und wandt sich Kopf schüttelnden von uns ab.
Einige Minuten später entschieden wir uns dazu, doch wieder den Platz zu wechseln. Wir liefen wieder zu dem Kreisverkehr an dem wir zuvor schon gestanden hatten. In der Sekunde, als Tomek seinen Daumen heraustrecke, stoppte sofort das erste Auto. Wir waren verblüfft. Und zu unserer großen Überraschung war das wieder unser Typ von vorhin, der sich den großen Jackpot erhofft hatte . Diesmal einigte ich mich mit Tomek darauf, das Thema Geld nicht mehr anzusprechen und einfach mitzufahren, er hatte schließlich nochmal angehalten. Tomek war zunächst skeptisch: „Are you sure?!“ – „Yes, sure.“, antwortete ich während ich meinen Rucksack in den Kofferraum warf. „Ok, let’s do it!“, stimmte mir Tomek dann zu.
Der Fahrer Dimitri konnte extrem wenig Englisch, also verständigten wir uns auf Spanisch – auch wenn ich eigentlich kein Spanisch spreche, aber in diesem Fall habe ich die paar Worte, die ich kannte benutzt, um mich mit ihm zu unterhalten. Er war ziemlich k.o. und meinte, er habe seit 3 Tagen nicht geschlafen und sei 4000km gefahren, was mir tatsächlich ein bisschen Sorgen machte. Deswegen bot ich ihm an, dass ich fahren könne. Ohne Einwände stimmte er zu und bei der nächsten Gelegenheit wechselten wir die Plätze. Die Fahrt dauerte insgesamt etwas über 5 Stunden: Durch die Karpaten, eine traumhafte Landschaft. Dimitri war anfangs ein etwas suspekter Kerl, nach einer Weile hatten wir aber eine lustige Zeit mit ihm und er war richtig nett. Am Ende verweigerte er es sogar Geld anzunehmen.
Als wir in Bukarest ankamen, war es schon 1 Uhr morgens. Wir fragten uns zum richtigen Busstop zum Zentrum von Bukarest durch und machten uns auf den Weg eine Unterkunft zu finden. Im Zentrum fanden wir dann einen McDonalds, bei dem wir unsere Handys laden konnten und wir Internet hatten, um einen günstiges Hostel zu finden. Nach etwa 15 abtelefonierten Hostels, meinte eine junge Stimme am Telefon, in gutem Englisch, dass sie noch Betten frei hätten. Also machten wir uns auf den Weg durch die Nacht zu jenem Hostel. Mit letztem Handyakku navigierten wir zum Hostel und wurden von zwei jungen Damen, beide Anfang 20, an der Rezeption schon erwartet. Wir waren ziemlich am Ende, aber Alexa und Denisa mussten uns unbedingt noch alles über Bukarest erklären. „Wenn ihr wüsstet, was wir für einen Tag hinter uns haben!“, dachte ich mir und war nur noch froh als wir gegen halb 3 endlich todmüde ins Bett fallen konnten.
Das Hostel war eher klein und familiär, aber die Atmosphäre gefiel mir sofort. Es war wie so oft, ein eigenes Erlebnis für sich. Hier verliebten wir uns unsterblich in die beiden Rezeptionsdamen. Tomek in Alexa und ich in Denisa. Wir hatten viel zu lachen. Die Rumänen wissen, wie man das Leben genießt. Das war schon jetzt etwas, das ich über die Rumänen gelernt habe. Denisa war mehr ein Schlitzohr mit viel Energie, aber das gefiel mir. Wir haben viel herumgealbert und allen möglichen Quatsch gemacht. Auf der anderen Seite konnte sie auch ganz ruhig sein und tatsächlich überraschte sie mich, was für lange Gespräche man mit ihr führen kann.
Wir blieben dort einige Tage, doch auch wenn wir eine schöne Zeit hatten, mussten wir irgendwann weiterziehen. Am letzten Tag verabschiedete ich mich von Denisa. Wir wollten am nächsten Morgen weiterreisen, und am nächsten Tag musste sie nicht arbeiten, deswegen wollte sie sich jetzt schon verabschieden. „This will be the goodbye.“, sagte sie. Ich war zwar etwas überrascht, aber konnte sie verstehen, da sie eine lange Anreise haben würde. Darum antwortete ich: „Okay.“ Ungläubig sah sie mich an. „You don’t believe that I am not coming back tomorrow morning, right? But I will not.“ Dann verabschiedeten wir uns. Sie drehte sich noch einmal um und sagte: „Write me.“ Dann ging ich zurück ins Hostel, ich musste noch ein paar Sachen erledigen und vor dem Schlafen gehen, wollte ich noch etwas essen. Ich war wirklich todmüde. Als ich gerade fertig mit dem Abendessen war und nur noch ins Bett fallen wollte, kam Alexa in die Küche gestürmt und schrie: „Hey! Denisa was calling me. There will be a concert tonight… she wants to see you!“ Eigentlich war ich krank und ziemlich müde, aber ich freute mich über ihren Anruf. Für einen Moment überlegte ich abzusagen, ich war vollkommen müde und auch dabei krank zu werden, doch dann entschloss ich mich dazu, natürlich doch zu gehen und setzte ich eine Kanne Kaffee auf.
Ich bereute es nicht. Es war ein fantastisches Konzert und ein außergewöhnlicher Abend!
Den Abschied am nächsten Morgen versuchten wir so locker und spaßig wie möglich halten, auch wenn mir Abschiede nicht gefallen. Denisa und Alexa versprachen, uns nächsten Juni mit ihrem Auto besuchen zu kommen. Gerne wäre ich länger geblieben, aber ich spürte auch, dass es Zeit war weiterzugehen. Die Reise musste weiter gehen. Also machten wir uns schweren Herzens einerseits und voller Vorfreude andererseits auf zum nächsten Abenteuer!