Armenien – ein raues Land in den Bergen des Kaukasus

Bis dahin kam mir dieses kleine verborgene Land in den Höhen des Kaukasus völlig abgelegen und unzugänglich vor. Allein der Gedanke durch Armenien zu trampen lies mein Abenteurer-Herz höher schlagen. Dieses ausgeprägte Gebirgsland verfügt über eine ungezähmte und wilde Natur mit außergewöhnlichen Bergklöstern, glänzenden Bergseen und heilenden Mineralwasserquellen. Ich durchstreifte das Land und trampte häufig bis spät in die Nacht hinein. Fast jede Nacht habe ich hier draußen geschlafen. Ich gebe zu, das war nicht immer einfach und komfortabel. Die mittlere Höhe des Landes beträgt über 1800m und im Armenischen Hochland fielen die Temperaturen schon mal auf bis zu -10 Grad. Außerdem machte ich mir nicht selten Sorgen wegen streunender Hunde, Bären und Menschen.

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Die Nacht auf dem Friedhof

Über die Ausläufer des Kleinen Kaukasus trampte ich ohne festen Plan von Georgien nach Armenien. Am ersten Tag trampte ich durch die rauen Gebirgszüge und durch abgelegene Dörfer, in die sich Touristen wohl nur äußerst selten verirren. Es ging von Auto zu Auto. Ich wurde zum Essen und Trinken eingeladen und genoss die Ungewissheit der Straße. Doch irgendwann musste ich mich der Sorge um einen Schlafplatz stellen. Häufig ergebt sich eine Gelegenheit und man muss sich gar keine Gedanken machen. Doch manchmal ergibt sich nichts. Dann muss man einen Weg finden. Kurz vor Dämmerung bat ich den armenischen Fahrer am Rande der Stadt Wanadsor anzuhalten und ich stieg aus. Hier erhoffte ich mir irgendwo einen geeigneten Schlafplatz zu finden. Zunächst fragte bei ein paar Restaurants und Häusern nach einem Schlafplatz. Doch dort erntete ich nur ungläubiges Kopfschütteln. Wie sollte ich hier einen Schlafplatz finden?

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Nach kurzer Zeit entschloss ich mich dazu nicht noch mehr Aufsehen zu erregen und lief zurück zu der Straße am Stadtrand. Auf der anderen Straßenseite sah ich eine kleine steinerne Treppe. Sie führte durch ein Gebüsch einen steilen Hang hinauf. Ich hatte schon eine Vorahnung wohin diese Treppe führte… Es war ein alter Friedhof. Kurz überlegte ich. Eine Entscheidung war gefragt. An sich könnte dies ein guter Schlafplatz sein. Ich überquerte die Straße zu den Treppen. Meine Vermutung, dass mich ein oder zwei Leute gesehen hatten, ignorierte ich. Ich versuchte einfach einen selbstsicheren Eindruck zu machen und stieg bei beginnender Dämmerung die alten zerbröckelten Stufen hinauf. Schon nach wenigen Schritten war ich hinter den Gebüschen verschwunden und sah rechts und links neben mir die verwucherten Grabsteine. Hier war kein Platz zum Schlafen. Also stieg ich weiter hinauf bis ich zum letzten Grabstein angekommen war. Durch die Gebüsche konnte ich nun über die Stadt sehen.

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Hier, vor diesem großen alten Grabstein war es möglich meinen Schlafsack auszubreiten. Einerseits war das kein schlechter Schlafplatz, doch der Gedanke in Mitten dieses Friedhofes zu schlafen war nicht gerade der Behaglichste. Ich las die zwei Namen auf dem Grabstein und sah mir die Bilder der zwei Verstorbenen an. Dabei dachte ich daran, was sie wohl für ein Leben gehabt hatten. Lang waren sie gewesen.

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Nachdem ich mich überall gründlich umgeschaut hatte, kam ich zu dem Schluss, dass hier direkt vor dem Grabstein der einzige Platz war. Ich glaube nicht direkt an ein Leben nach dem Tod, dennoch respektiere ich die Ruhe der Verstorbenen und möchte niemanden verärgern oder stören. Dies versuchte ich den Personen, die hier neben mir ruhten und mir selbst zu vermitteln. Ich brauchte nun mal einen Platz zum Schlafen. So bedankte ich mich in Gedanken und fing an ruhig und andächtig meine Isomatte und meinen Schlafsack auszubreiten.

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Nachdem ich mich in meinen Schlafsack gelegt hatte, schaute ich auf die Stadt. Mir gefällt es von meinem abgelegenen Schlafplatz auf die Stadt zu blicken und meine Erlebnisse in aller Stille revue passieren zu lassen. Weit von zu Hause entfernt lag ich hier nun auf einem armenischen Friedhof in meinem Schlafsack.

Noch fühlte ich mich wohl hier. Doch die Erfahrung lehrte mich, dass die Dinge bei Nacht völlig anders aussehen können. Ich lauschte den Autos auf der Straße und irgendwie gab mir das ein Gefühl der Sicherheit. Langsam breitete sich die Dunkelheit um mich herum aus und die Lichter der Stadt fingen an zu leuchten. Nach einer Weile schlief ich mit den vorbeifahrenden Autos in den Ohren ein. In der Nacht wachte ich einmal auf. Ich sah mich in der mondhellen Umgebung um. Alles war ruhig und still. Auch die Autos waren nicht mehr zu hören. Die Stadt schlief und auch ich schlief wieder ein. Am frühen Morgen vor Sonnenaufgang wachte ich nach einer erholsamen Nacht auf.

Nun machte ich mich weiter auf den Weg in Richtung der Hauptstadt Jerewan…

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Auf den Straßen Armeniens

Umringt von Ländern, die den Armeniern nicht gerade freundlich gesinnt sind, war die Geschichte Armeniens von Völkermord und einer steten Bedrohung geprägt. Sie verfügen bis auf etwas Gold über keine Bodenschätze und kaum millitärische und wirtschaftliche Ressourcen. Außerhalb der Hauptstadt ist die Armut groß und Alkoholismus ist schon ein Problem. Vielleicht ist es das, was die Armenier so rau gemacht hat.

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Dennoch habe ich die raue und gleichzeitig so freundliche und offene Art der Armenier zu schätzen gelernt. Man muss nur wissen wie man damit umgeht. Viele Armenier haben sich einen riesen Spaß aus mir gemacht. Das beste Mittel dagegen war häufig einfach auf sie zuzugehen und zusammen Spaß zu machen. Im Grunde fanden sie das einfach so verrückt, was ich mache, dass das ihre Art war damit umzugehen.

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Mit den Armeniern konnte ich feiern und lachen, essen und trinken und natürlich gab es auch ausreichend Vodka. Ein junger Armenier namens Toros, der mich von der Straße mitnahm, fragte mich ob ich Lust hätte mit Freunden von ihm etwas trinken zu gehen. Ich dachte mir: „Okay, warum nicht?!“ Er lud mich auf eine Party nahe dem mächtigen Vulkan Ararat ein. Hier kochten wir Fisch, tranken Vodka und tanzten in der Sonne auf den Autodächern bis in die Nacht. Eine bessere Location für eine Party konnte ich mir nicht vorstellen.

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Zwei Tage später machte ich mich aus der Hauptstadt weiter auf den Weg durch Armenien. Als ich so am Straßenrand stand, hielt ein schwarzer BMW an. Ich erkannte sofort voller Erstaunen, wer da am Steuer saß. Es war mein alter Freund Toros. Im Auto sagte er dann “My English is not so good … but you have a friend in Armenia now brother!”

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Ich trampte wieder den ganzen Tag, wurde zu einem älteren Armenier nach Hause zum Tee eingeladen und lernte über die gegenwärtige Situation Armeniens von einem Fahrer, der bei der Spezialeinheit des Armenischen Militärs gearbeitet hatte.

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Der Plan war zu heißen Quellen in den Bergen zu trampen. Doch wie es die Umstände wollten, fand ich mich bei Dunkelheit wieder an einem einsamen Straßenrand mitten im Nirgendwo. Das passte mir gar nicht und ich versuchte weiter mein Ziel zu erreichen. Ich trampte in der Dunkelheit weiter…

Nach etwa 20min fuhr eine alte weißes Soviet-Maschine mit laut aufgedrehter Musik in den Kies und auf mich zu. Die Vollbremsung wirbelte mächtig Staub auf und die rostige Karre kam wenige Zentimeter vor mir zum Stehen. Im Auto saßen zwei Armenier, denen man ihre raue Art ansah. Beide waren am Qualmen und der eine sprach mich auf russisch an: “Wohin willst du?!” Ich wusste, das würde taff werden … und stieg zu den beiden ins Auto.

Die beiden schienen in Feierlaune zu sein und drehten die Musik noch lauter. Mit gefühlter Schrittgeschwindigkeit schlichen wir mit der alten Mühle die Bergstraße hinauf. In der schwarzen Nacht liesen sie mich schließlich an einer einsamen Tankstelle wenige Kilometer vor meinem Zielort aussteigen. Sie mussten in eine andere Richtung weiter und ich war froh aus dem Auto zu sein.

In der Tankstelle brannte Licht. Ich ging zum Eingang und als ich die vier Männer sah, wusste ich erneut was auf mich zukam. Ich wusste, dass sie mich für verrückt halten würden und dass sie ihre Späße machen würden. In dem Moment war mir das auch egal. Mein Rezept dagegen war sich nicht beirren zu lassen und den Spaß einfach mit ihnen zu teilen. Daraufhin machten sie mir einen Kaffee und gaben mir Kekse zu essen.

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Zunächst meinten sie, ich könne hier nirgens schlafen und ich solle ein Taxi rufen. Doch als ich anfing mein Zelt im Schnee aufzubauen sahen sie, dass ich es ernst meinte. Daraufhin machten sie einen wunderbaren Schlafplatz in einem Nebengebäude ausfindig. Damit war ich mehr als glücklich. Mit der Geschichte und in der Situation fühlte sich dieser Schlafplatz besser an als jedes Hotel!

wDSC01884Traumschlafplatz.

Am nächsten Tag trampte ich in den nahe gelegenen Kur-Ort und gönnte mir meine winterliche Wellness.

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So trampte ich etwa eine Woche durch das Land. Überall genoss ich die Gastfreundschaft der Armenier und fand mich wieder bei einigen alten Stätten der Menschheit, Bergklöstern und erstaunlicher Natur. Bis ich an der Grenze zum Iran angekommen war – ein Land, das etwas völlig Neues für mich werden sollte und mich auf so vielen Ebenen überraschen würde…

 

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2 Comment

  1. Martina says:

    So schön, das zu lesen… Happy travels from a stranger in Budapest! 🙂

  2. Rolf Weiss says:

    Immer wieder spannend. Solche Erfahrungen vergisst man nie wieder.

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