Seit dem ich im Iran angekommen war vernahm ich den Ruf der Wüste. Ich träumte ich davon einige Nächte in ihrer magischen Stille zu campen und unter den funkelnden Sternen zu schlafen.
Nun saß ich hier und spürte den warmen Wüstenwind auf meiner Haut. Es war ruhig und ich fühle mich kraftvoll. Ich saß in einem Gästehaus in einem Oasenort der Zentralwüste namens Dasht-e-Kavir. Der Besitzer des kleinen Gästehauses Rohab hatte mir auf der Karte einen Ort gezeigt zu dem ich wandern könne.Dort könnte ich solange zelten wie ich wolle. Keine Menschen, keine Wege, nur auf die Skorpione solle ich Acht geben, da gerade Skorpionzeit sei.
Am Abend bevor ich losziehen wollte saß ich noch eine Weile im Innenhof des Gästehauses und genoss die Ruhe. In dem Moment fing eine junge Frau neben mir an ihren Schlafsack auszubreiten. Ihre Kleidung war weder westlich noch traditionell iranisch und irgendwie etwas mystisch. Ich wunderte mich und fragte sie: „Schläfst du hier?“ „Überall.“, lautete ihre kurze Antwort. Dann legte sie sich in ihren Schlafsack, um zu schlafen.
Als ich am frühen Morgen meine Sachen vorbereitet hatte, kam Rohab auf mich zu und meinte hier sei eine junge Iranerin, die seit einigen Tagen davon träume in der Wüste zu campen. Es war die mysteriöse Frau vom Vorabend. Rohab und die namenlose Iranerin wechselten einige Worte. Dann fragten sie mich, ob es in Ordnung sei, wenn wir zusammen gehen würden. Im Nachhinein erzählte sie mir, dass die anderen im Gästehaus versuchten sie davon abzuhalten alleine mit einem fremden Mann in die Wüste zu gehen. Besonders im Iran ist das nicht gerade etwas Übliches. Aber Erlebnisse wollen auch geteilt werden, besonders in der Wüste. Eine Stunde lang war sie emsig damit beschäftigt ihre Sachen zu packen.
An dem Tag war es sehr windig. Das bedeutete, die Skorpione kommen aus ihren Verstecken. Rohab war nicht sicher, ob wir gehen könnte. Doch ein Freund von Rohab meinte, er wisse dennoch einen guten Platz zum campen. Wir stiegen alle zusammen in Rohabs Geländewagen. Hier stellte sich mir meine neue Reisebegleitung zum ersten Mal vor. Ihre Name war Dorna und ich war überrascht, wie kommunikativ und offen sie nun im Vergleich zum Vorabend war.
Als wir mit dem Jeep an dem besagten Ort ankamen, war Dorna überhaupt nicht glücklich. „This is not pure here.“ Es war nicht die Art Wüste, die sie sich vorgestellt hatte. Der Boden war staubig und trocken und es war nahe der Straße. Die folgende Diskussion änderte nichts – wir sollten hier bleiben. Dann stiegen die anderen wieder in den Geländewagen und fuhren zurück.
Unbeirrbar begann Dorna nun loszumarschieren. Ich markierte die Position auf Google Maps und versuchte sie einzuholen. Wir diskutierten unser weiteres Vorhaben und entschieden, dass wir einen besseren Ort finden wollten. Unseren eigenen Ort. So begannen wir mit unseren Rucksäcken in die unbekannte Wüste zu wandern. Als wir die erste Sanddüne überquerten fühlte ich die Wildnis dieser Wüste.
Wir kämpfen uns durch tiefen Sand und über hohe Sanddünen, vorbei an trockenen Sträuchern und blühenden Blumen. Ohne ein konkretes Ziel liefen wir immer weiter in die Wüste. Der Wind peitschte uns den Sand ins Gesicht. Wir brauchten definitiv einen windgeschützten Ort – am besten mit Bäumen oder Sträuchern, an die wir unser Zelt binden könnten. Überflüssig zu erwähnen, dass Heringe in der Wüste nutzlos sind. So erforschten wir einen Ort nach dem anderen und drangen immer tiefer in unbekanntes weltabgeschiedenes Territorium. Überall verbargen sich neue Überraschungen.
Nach einer ausgedehnten Suche fanden wir schließlich windgeschützten wunderschönen Ort mit Bäumen und Sträuchern. Diese könnten uns bei Tag Schatten bieten und wir konnten unsere Zelte dort festbinden. Das sollte nun unser Lager werden. Für wie lange wussten wir nicht.
Wir erkundeten unsere Umgebung und ich hatte das Gefühl, dass es überall so viel zu entdecken gab. Sanddünen mit Aussicht auf die endlose Wüste, blühende Blumen und kleine Käfer und Raupen. In der Nacht sahen wir sogar einen kleinen wunderschönen Wüstenfuchs.
Wir kochten und aßen am Lagerfeuer. Bald fühlte sich dieser Ort wie eine kleine Heimat.
Am Abend gingen wir zu einer hohen Sanddüne. Von hier aus konnten wir über gesamte Umgebung blicken und wir die Schönheit der Wüste am Abend. Wir saßen im Sand und beobachteten die Sonne hinter entfernten Dünen verschwinden. Nicht einmal die Touristen, die wir in einiger Entfernung hörten, konnten den Frieden stören.
Dann breitete sich der magische Wüstenhimmel mit seinen unzähligen Sternen über uns aus. Ein Funkeln wie man es wohl nur in der Wüste erlebt.
Am nächsten Tag ging ich alleine zurück ins Dorf, um unsere Wasser- und Essensvorräte aufzustocken. Als ich ein Stück auf der Straße zurücktrampte, hielten zwei Ärzte aus Teheran. Mahdi und sein bester Freund. Mahdi war Neurochirug und sein Freund Anästesist. Sofort merkte ich, dass die beiden richtig cool waren und ich führte sie zu unserem verborgenen Ort. Wir fuhren zu dem Parkplatz, zu dem einige Touristen kommen. Nach dem wir die ersten Dünen überquert hatten, ließen wir die Touristen hinter uns. Sie entfernten sich in der Regel nicht weiter als 20 Meter von der Straße.
Mir fiel auf, dass unser Lager wirklich nicht so leicht zu finden ist, wenn man nicht weiß, wo es sich befindet. Mit den beiden hatten wir so viel Spaß. Wir lachten viel, tranken Wein und sprachen über alles mögliche, inklusive der persischen Poesie. Als wir nach ein paar Gläsern Wein am Lagerfeuer saßen, fing Mahdi an mit seiner kräftigen und voluminösen Stimme ein Gedicht von meinem Lieblingspoeten Rumi vorzulesen. Alle waren still und lauschten. Dorna versunken ihre Klangschale rührte und zum Klingen brachte. Ein Moment, den ich jedem Iran-Reisenden wünsche.
Auch wenn besonders Mahdi gerne länger geblieben wäre, mussten sie am Abend wieder gehen. Wieder zu zweit, saßen wir am Lagerfeuer und redeten noch lage während sich wieder die Nacht um uns herum ausbreitete. Ihr Englisch war nicht perfekt, aber sie redet gern. Sie erzälte mir von ihrer Zeit, als sie 6 Monate auf der Insel Hormos in einem Zelt gelebt hatte. Immer wieder warf sie wortlos Kräuter und Blüten in das Feuer. Später erfuhr ich, dass das böse Geister vertreiben soll. Sie war ein Reisegeist und die Abenteuerlust verband uns.
Irgendwann standen wir auf und erforschten die stille Wüstenumgebung bei Nacht. Barfuß liefen wir durch den weichen Wüstensand. Es war nochmal ein ganz anderes Erlebnis die Wüste bei Nacht zu erkunden und hier vollkommen für sich alleine zu sein.
Im Iran gibt es nur eine handvoll Tramper und noch viel weniger Frauen, die Trampen. Dorna war eine davon und sie entschloss sich spontan dazu, sich mir anzuschließen. Wir trampten durch die Wüste und karge Salzlandschaften.