Hier saß ich fasziniert von der Hafenatmosphäre und gespannt auf das, was ich auf dem Schiff und in Kasachstan erleben würde. Ich war hier vollkommen allein und verloren. Ich war etwas müde und hatte etwas Hunger, aber ich fühlte mich gut. Ich finde es hat etwas Besonderes und Aufregendes in sich, an einem solchen Ort verloren zu sein.
Kurz vor Mitternacht hatte ich den Handelshafen 60km außerhalb von Baku erreicht. Hier hatte ich ein Containerschiff ausfindig gemacht, mit dem ich nach Kasachstan übersetzen könnte.
Bis auf ein paar Trucker und ein paar Beamte war nichts los auf dem Hafengelände.
Mein Boot nach Kasachstan. Etwas weniger als 2 Tage sollte die Überfahrt über das Kaspische Meer dauern.
Der Weg in das Schiff.
Im Schiff wurde mir klar, was es heißt auf einem Containerschiff unterwegs zu sein…
Romantik des kalten Metalls und des Ölgeruchs. Ich war beeindruckt…
Die Reise auf dem Schiff war ein Erlebnis für sich. Ich war der einzige Passigier und für mich erfüllte sich ein Traum auf offenem Meer mit einem Containerschiff unterwegs zu sein.
Als ich nach zwei Tagen auf dem Containerboot kasachischen Boden betrat, spürte ich sofort, dass dies ein neuer Abschnitt auf meiner Reise werden sollte. Ich bin jetzt in Zentralasien, genauer in einer kleinen Hafenstadt namens Aktau. Als ich aus dem Hafen lief, hatte das Gefühl so weit von zu Hause entfernt zu sein. Ich war nun in Aktau einer kleinen Hafenstadt im einsamen Westen von Kasachstan. Europa lag weiter hinter mir und den Menschen sah man ihren asiatischen Einschlag an. Hier erinnerte nichts an Tourismus und ich hatte keine Ahnung was vor mir lag…
Ankunft in Aktau, Kasachstan.
Kasachstan – ein riesiges Land mit einer der niedrigsten Bevölkerungsdichten der Welt. Es sollte hier sehr abgelegen und rau werden. Vor mir lagen knapp 4000km endloser Steppe, die ich von Osten nach Westen durch nahezu unbewohntes Gebiet trampen wollte. Mir behagte der Gedanke gar nicht alleine in dieses wilde Nichts zu trampen. Doch gleichzeitig war ich auch fasziniert und gespannt auf die weite und unbekannte Steppe, die vor mir lag. Ich sollte dabei auf russische Tradition und unerwartete Gastfreundschaft stoßen und das Leben mehrere Tage mit kasachischen Truckern verbringen. Ich lief aus der Stadt und stellte mich an die Straße…
Am ersten Tag wurde ich von mehreren Leuten gewarnt in der Steppe zu campen. Es gäbe hier Spinnen, Schlangen und Wölfe.
Am nächsten Tag traf ich Eldar. Er war im Grunde ein Glückstreffer. Er wollte die gesamte Strecke bis nach Astana fahren. Dafür brauchte er natürlich mehrere Tage. Unterwegs schlief er im Hotel, in dem seine Schwester arbeitet und bei verschiedenen Freunden. Ich hatte sozusagen eine Mitfahrgelegenheit für mehere Tage inklusive Übernachtung und Verpflegung.
Hotel, in dem seine Schwester arbeitet, in das ich eingeladen wurde
Eldar lud mich auf eine Banya (russische Sauna) und zu Freunden ein
Es war perfekt, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das zu einfach wäre. So verabredeten wir uns in Astana wieder zu treffen und ich trampte alleine weiter. Die nächsten Tage wurden sehr kräfteraubend. Geringer Komfort und ununterbrochen auf der Straße. Ich trampte den ganzen Tag, legte mich in der Nacht in mein Zelt und am nächsten Morgen ging es wieder auf die Straße.
Ich schlief im Zelt, in der Steppe, am Stadtrand oder bei Leuten, die mich zu sich nach Hause einluden.
Trampen in Kasachstan war besonders für mich. Es war das erste Mal, dass ich eine so lange Strecke am Stück trampte. Meine Mission war einfach nur zu trampen…
An einem Abend hielt Sergej mit seinem LKW. So kam es, dass ich drei Tage mit dem Trucker Sergej und seinem Kollegen Mikhail verbrachte. Wir kochten zusammen, aßen zusammen, schliefen zusammen in seinem LKW und verbrachten den gesamten Tag zusammen auf der Straßen. Gesprochen wurde ausschließlich russisch und ich erfuhr viel über das Kasachische Truckerleben.
Hier haben wir regelmäßig Tee und ab und zu Essen gekocht
Am Abend das verdiente Bier
Nahe der Russischen Grenze in der Stadt Qostanai
Mein Bett
Nach 8 Tagen war ich ziemlich erschöpft. Die letzten 100km wollte ich mit einem anderen Auto trampen, da Sergej nicht direkt in die Stadt musste. Vor Dunkelheitseinbruch ließ mich Sergej aussteigen. Zu dem Zeitpunkt freute ich mich unvorstellbar auf ein schönes ruhiges Hostel mit weichem Bett und warmer Dusche. Doch nach kurzer Zeit begann es zu regnen und niemand wollte mich mitnehmen. Bald begann es zu dämmern und ich hoffte einfach nur, dass mich noch jemand mitnehmen würde.
Als mich nach etwa einer Stunde eine Familie mitnahm war ich unfassbar dankbar. Die Mutter, die mit mir auf dem Rücksitz saß fragte mich, wo ich übernachten wollte. Als ich meinte ich würde einfach in einem Hostel nach einem freien Bett fragen, antwortete sie, dass ich auch in ihrem „Hostel“ übernachten könne. Dabei lachte sie und ich war mir unsicher. Sie hatten auch noch ein eigenes Hostel?! Nicht schlecht. Sie waren angenehme Leute, hatten ein eher neueres Auto und auch wenn ich der Hostelgeschichte nicht ganz traute, beschloss ich mich darauf einzulassen.
Doch was mich erwartete war etwas vollkommen anderes. Sie führten mich zu einem völlig heruntergekommenen Haus. Das Bad und die Toilette waren für alle Bewohner des Gebäude-Komplex und ihre Ankündigung, sie hätten da einen speziellen „Hostelraum“, machte mir Angst. Sie führten mich aus der Wohnung heraus durch den Hausflur in ein seperates Zimmer, das mich noch mehr schockierte. In jenem Zimmer blickten mich verdutzt zwei oberkörperfreie junge Männer an. Sie schienen verwundert zu sein, doch sagten sie keinen Ton. Als ich meine Schuhe ausziehen wollte, meinte der Sohn zu mir „Oh nein! Hier ist es so schmutzig du kannst auf keinen Fall deine Schuhe ausziehen!“ Es roch nach Fett und Kuhstall und ich hatte das Gefühl mich gleich übergeben zu müssen. Offenbar wurde in diesem Raum auch gekocht. Ich hatte keine Ahnung wer die beiden jungen Männer waren, aber das erste was mir in den Kopf kam war, dass das Flüchtlinge sind oder Leute, die die Familie hier aufgenommen hatte.
Ich war schon total am Ende und dachte mir, nein das geht gar nicht, ich gehe in ein Hostel! Letztenendes weiß ich nicht, wie ich mich dazu durchringen könnte hier die Nacht zu verbringen. Der Geruch war bestialisch und ich glaube noch nie hat mich ein Schlafplatz eine solche Überwindung gekostet.
Am nächsten Morgen lief ich zu einem Hostel und brauchte erst einmal zwei Tage um mich zu erholen. Unglaublich wie man sich auf eine Dusche freuen kann und wie gut sich ein normales Bett anfühlen kann. Mir wurde bewusst wie schnell man sich an Komfort gewöhnt und wie einfach man sich wieder darauf freuen kann.