Dunkle Nacht, düsterer Wald


 

Wir verbrachten zwei Tagen voller Gastfreundschaft bei der kleinen Familie, die sich so gut um uns gesorgt hatten. Dann gingen wir weiter Richtung Rumänische Berge, die Karparten. Andrada und ihr Mann warnten uns vor Bären und Wölfen dort und gaben uns Tipps, auf was wir aufpassen sollen. Wir könnten sie jederzeit anrufen, falls etwas passieren sollte.

Zwei Autostopps brauchten wir nach Deva, eine mittelgroße Stadt am nördlichen Rande der Karparten. Es dämmerte schon ein wenig, als wir ankamen. Wir mussten etwa 3km aus der Stadt laufen und holten uns unterwegs noch etwas zu Essen in einem Supermarkt.

Wir waren zuversichtlich draußen einen geeigneten Schlafplatz zu finden. Wir brauchten einfach nur einen Platz etwas außerhalb der Stadt, ein bisschen von der Straße entfernt, wo uns niemand sieht und wir ungestört schlafen könnten. Soweit ich wusste, waren wir in keiner speziellen Bären-oder Wolfgegend. Mehr Sorge hatte ich also wegen Menschen und nicht wegen wilder Tiere.

Als wir am Stadtrand ankamen, wechselten wir die Straßenseite. Anhand unserer Karte hatten wir das Gefühl, auf der dieser Straßenseite einen guten Schlafplatz finden zu können. Unsere Taschenlampen wollten wir nicht benutzen, da wir so unauffällig wie möglich bleiben wollten. Auf der anderen Seite entdeckten wir dann, dass uns ein etwa ein Meter breiter und zwei Meter tiefer Graben und dahinter mehrere große Bahngleise den Weg zu einem möglichen Schlafplatz versperrten. Nach kurzem Überlegen zog ich meinen Rucksack aus und warf ihn auf die auf die andere Seite des Grabens, danach sprang ich hinterher und Tomek warf mir seinen Rucksack zu. Im Mondschein der Nacht fühlte ich mich dabei wie ein übler Schurke, der gerade seinen finsteren Plan ausführt. Nun noch die Bahngleise… Zu zweit mit Rucksäcken wollten wir jedoch nicht auf den Bahngleisen herumturnen, daher ging Tomek mit Taschenlampe und ohne Rucksack alleine los, um nachzusehen ob es dort irgendwo möglich war zu schlafen. Er kam zurück und zeigte an, dass es dort keine Möglichkeit zu schlafen gab. In der mondbeleuchten Nacht von Rumänien schlichen wir also weiter auf der Suche nach einem Schlafplatz die Bahngleise entlang. Wir sahen ein, dass es auf dieser Straßenseite nicht möglich war zu schlafen. Damit blieb uns noch der Wald auf der anderen Straßenseite…

Auf der anderen Straßenseite führte ein kleiner gepflasterter Weg den Berg hinauf in den Wald. Auf der einen Seite des Weges, die weg vom der Straße gerichtet war, sahen wir nur dichtes Gestrüpp. Als wir mit unseren Taschenlampen leuchteten sahen wir außerdem, dass es relativ steil nach oben ging. Da der Pfad jedoch unsere einzige Option war, folgten wir dem Weg tiefer in den Wald. Schließlich kamen wir auf ein seltsames Gelände. Ein großes dunkles Gebäude hinter einem hohen Zaun, das ziemlich verlassen schien. An der einen Stelle war ein großes Tor, das offen stand und das zu einem weiteren Gebäude führte. Aus diesem Gebäude schien aus einem Fenster ein seltsames weißes Licht und wir waren uns nicht sicher, ob dort jemand wohnte oder nicht.

Wir schlichen um das Gelände und ich fühlte mich wieder wie ein Einbrecher, der gerade sein Gelände auskunschaftet. Es war aufregend und gruselig zugleich. Aber wir mussten einen Platz zum Schlafen finden. Darum waren wir hier. Als wir auf einem kleinen Hügel vor dem Haus standen, zuckte Tomek plötzlich zusammen und meinte oben am Fenster sei ein Mann gewesen und er hätte ihn gesehen. „Lass uns von dem Gelände weg und zwar besser schnell.“ meinte ich. Nach kurzem Überlegen kamen wir zu dem Schluss, dass unsere letzte Möglichkeit darin bestand, irgendwie einen passablen Einstieg durch das Gestrüpp zu finden und den Hang in den Wald hinaufzusteigen.

An einer geeignete Stelle kämpften wir uns durch das Gestrüpp. Dann zog ich meinen Rucksack aus und stieg erst einmal ohne hinauf, um zu sehen, ob es hier irgendwie möglich war. Dabei leuchtete mir nur der Mond den Weg. Nach einer Weile fand ich ein kleines schönes Plateau, was mir wie eine äußerst geeignete Stelle erschien. Ich ging zurück und wir beschlossen dort zu schlafen. Beim Aufstieg mit Rucksack durch den Wald dachte ich mir: „Zum Glück können wir den Abstieg morgen in Ruhe und bei Tageslicht machen.“

Glücklich über den gefundenen wunderschönen Schlafplatz, saßen wir noch ein wenig da und genossen die Aussicht auf die Lichter der Stadt und den Mondschein im Wald. Bevor wir schlafen gehen wollten, aßen wir noch ein bisschen und redeten bei laufender Kamera über den Tag. Plötzlich und aus völliger Stille heraus hörten wir lautes Gebell. Wir hatten keine Zeit nachzudenken, innerhalb weniger Sekunden sahen wir drei große Hunde auf uns zu rennen, die scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht waren. Ich war mir nicht sicher, ob es Wölfe oder Hunde waren. Das Adrenalin schoss mir ins Blut und mein Herz pochte bis zum Hals. „Don’t move, don’t move“ raunte Tomek verängstigt und wir warfen instinktiv unser Essen, das wir gerade aßen weg. Drei große wilde Hunde, die offenbar auf Futtersuche waren, stürzten sich auf des Essen. Meine Gedanken schwankten zwischen „es sind nur Hunde, die greifen keine Menschen an, schon gar nicht zwei erwachsene Männer“ und „die sind scheiße groß und offenbar auf Futtersuche, die könnten ohne Weiteres einen erwachsenen Mann töten und wer weiß was hier im Wald passiert“. Ich überlegte mir, wie ich mich wehren könnte im Falle eines Angriffs. Ich griff nach meinem Messer. Es waren zwei kräftige braune Hunde und ein etwas größerer weißer. Nach dem sie das weggeworfene Essen gefressen hatten und wir ihnen nichts mehr gaben, fingen sie an uns zu umkreisten und zu knurren. Während wir wie versteinert dasaßen, kamen die Hunde immer näher. Sie hatten keine Scheu. „Don’t move… don’t move“ hauchte Tomek voller Angst in der Stimme. Ich dachte daran, dass die Hunde jetzt mehr wollen und ich irgendwo unter mir zwischen den Beinen noch etwas zu essen liegen hatte, das ich nun nicht finden konnte und in meiner Tasche war auch noch mehr Käse. Der braune Hund schlich sich von hinten immer näher an und während ich am Anfang noch dachte, dass uns die Hunde vielleicht nichts tun würden, gab mir der braune Hund nun das Gefühl kurz vor dem Angriff zu stehen. Er war keinen Meter von uns entfernt in Drohhaltung, fletschte die Zähne und knurrte. Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass es gar nicht gut war, den Hunden gegenüber so passiv zu sein und ihnen unsere Angst zu zeigen. Mit geneigtem Oberkörper kam er knurrend Zentimeter um Zentimeter näher. Ich beobachtete ihn während Tomek wieder „don’t look at him“ und „just freeze for a moment“ flüsterte. Ich hatte das Gefühl der Hund würde uns nun gleich Angreifen, wenn wir nichts tun und dass es jetzt Zeit war etwas zu tun.  „Do you have your pepper spray?“, versicherte ich mich bei Tomek. „Yes – but I’m afraid to attack them.“, gab er zurück. „Don’t attack them.“, sagte ich ruhiger. In dem Moment fühlte ich mich irgendwie sicher und selbstbewusst, während ich das Gefühl hatte, die zögernde Angst in dem Hund zu sehen. In der Sekunde sprang ich auf und brüllte den Hund an. Voller Adrenalin schoss Tomek sein Pfefferspray auf den Hund. Das war eine Schrecksekunde… sie wichen zurück und rannten weg. „Fucking go awaaay!“ riefen wir den Hunden hinter her und nutzten den Moment für die Flucht.

Alles, was wir in der Sekunde sahen packen wir irgendwie in die Hände, den Rucksack auf die Schulter und irgendwie weg von hier. Wir stürzten ins im dunklen Wald den Hang hinunter auf der Suche nach einem Weg aus dem Wald. Doch wir konnten unseren Ausstieg durch das Gebüsch nicht mehr finden. Voller Adrenalin suchten wir verzweifelt eine weitere Stelle und als ich es erzwingen wollte, mir einen Weg durch das Gestrüpp zu bahnen, verhäderte sich mein Rucksack im Gestrüpp. Ich wurde immer panischer und wir hörten die Hunde wieder Bellen. So waren wir den Hunden ausgeliefert unterlegen. Als ich mich befreien konnte und ich meinte wir müssen einen anderen Weg finden, bemerkte ich meine Panik und versuchte wieder ruhiger zu werden. Das Hundegebell kam näher, ohne das wir die Hunde sahen. Wir versuchten es an einer anderen Stelle. Es sah wieder schlecht aus. Wir rannten weiter mit all unseren Sachen durch den Wald so schnell wir konnten, um irgendwo einen Ausweg zu finden. Wir wollten einfach so schnell wie möglich raus aus dem Wald. Wir versuchten es zum dritten Mal. Tomek meinte „it’s impossible“. Wir müssen hier jetzt einfach durch, das Gestrüpp kann jetzt kein Hinderniss mehr sein, dachte ich und überwand die ersten Büsche und Zweige.  „No, it is possible, come on! Wir kämpften uns durch die Büsche und bald tat sich tatsächlich eine Art natürlichen Pfad hervor. Wir bahnten uns den Weg zur Straße, und als wir sie erreichten und überquerten, fiel die Anspannung von mir ab: „Puh.. That was fucking close!“

Wir liefen zurück in die Stadt zu einer Tankstelle. Dort bot uns ein Tankstellenmitarbeiter an, doch einfach hier in der Tankstelle zu schlafen, was wir auch taten…