Durch die einsamen Weiten Chinas (Pt. 3/6)

Mit dem Bus fahre ich an den Standrand, von dem die einzige Straße zunächst 1500km durch die Taklamakan-Wüste nach Nordenosten und dann mehrere Tausend Kilometer durch eine Vielfalt von Landschaften wie die Gobi-Wüste führt. Anschließend geht es über die Tibetanische Hochebene Richtung Osten in städtischeren Gebiete bis nach Peking.

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Nachdem ich aus dem Bus ausgestiegen bin laufe ich auf dem Highway, der erstaunlich gut ausgebaut ist. Mit der Hand versuche ich Autos zum Anhalten zu bewegen. Doch es scheint wieder schwierig zu sein. Es sind nur wenige Autos unterwegs. Die Hitze macht das ganze sehr anstrengend und schnell bekomme ich schrecklichen Durst. Zu Trinken habe ich nicht sehr viel mitgenommen. Nach längerer Wartezeit hält schließlich hält doch ein PKW und nachdem ich deutlich gemacht habe, dass ich kein Geld für die Fahrt habe, nimmt er mich mit. Er lädt mich zu einem einfachen Essen am Straßenrand und auf einen gelben Tee ein. Ich trinke so viel ich kann, um meinen Durst zu stillen.

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Danach kann ich bei einem LKW mitfahren. Hier bin ich mir sicher, dass es umsonst ist. Wir fahren die Wüstenstraße in dem unklimatisierten Laster entlang, vorbei an seltsamen Ölförderungsmaschinen und futuristisch wirkenden Ölkraftwerken. Es ist schon spät in der Nacht als der Fahrer in einer kleinen Ortschaft hält. Hier trennen sich unsere Wege. Ich steige aus und kaufe mir am Straßenrand eine Wasserflasche. In dem Moment bemerke ich den  LKW-Fahrer wieder. Beim Bezahlen drängt er sich entschieden dazwischen, drückt mein Geld beiseite und bezahlt für mich. Dann gibt er mir noch eine weitere Wasserflasche und verabschiedet sich. Ich laufe die Straße weiter, vorbei an kleinen Ständen, an denen am Straßenrand Wasser verkauft wird. Hier versuche ich einen weiteren LKW in der Dunkelheit anzuhalten. Doch diesmal bin ich vernüftiger und beschließe bald mir einen Schlafplatz zu suchen. Ich laufe etwa  200m aus dem Dorf und neben einer Brücke fange ich im Dunkeln an mein Zelt aufzubauen. Ich bin am Rande eines kleinen Feldwegs.

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Es weht ein starker Wind und wie zu erwarten bieten die Heringe keinen Halt im sandigen Boden. Ich finde keine großen Steine und nichts, an das ich das Zelt binden könnte. Nach verschiedenen erfolglosen Versuchen mein Zelt stabil zum Stehen zu bringen, komme ich zu dem Schluss, dass ich einfach in mein nicht aufgeschlagenes Zelt krieche und so schlafe. Immerhin habe ich so einen Schutz vor Mücken und liege nicht vollkommen im Freien. In der Nacht wache ich ein paar Mal auf und beobachte wach und aufmerksam die Landschaft um mich herum.

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Am nächsten Morgen schlüpfe ich durch den Stacheldrahtzaun, der sich die komplette Autobahn entlang zieht, hindurch auf die Straße. Die Autobahn scheint ziemlich leer und einsam und die wenigen Autos rauschen achtlos an mir vorbei. Als endlich ein Auto hält, will der Fahrer Geld und ich lehne ab. Nach zwei frustrierenden Stunden stehe ich immer noch an der selben Stelle und beginne am Erfolg meines Vorhabens zu zweifeln. Ich sehne mich schon wieder nach Wasser und fühle mich ziemlich mutlos angesichts der etlichen Tausend Kilometer. Eine halbe Stunde später hält ein weiteres Auto. Ich frage nur kurz „no taxi?“ und steige schnell ins Auto ehe der Fahrer es sich anders überlegen kann. Er wirkt sympathisch. Sein Auto ist unklimatisiert und er schleicht mit maximal 80km/h die leere Autobahn entlang. Ich erfahre, dass er bis nach Urumqi fährt, also haben wir über 1000km gemeinsame Strecke.

 

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Zwei Tage fuhren wir zusammen. Immer wieder musste er seinen Wagen abstellen, um den Motor abkühlen zu lassen. Am Mittag legte er sich vor einer Autobahn-Raststätte auf den Boden und schlief. So ging es nur ganz langsam voran.

 

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Am Abend kauften wir uns Instant-Nudeln in einem kleinen Laden. Dazu eine Wurst – zumindest hoffte ich, dass das eine Wurst war. Dann fuhren wir weiter, bis spät in die Nacht. Ich schlief die meiste Zeit. Als ich aufwachte sah ich, wie meinem Fahrer langsam die Augen zufielen während er am Steuer sitzt. Ich schreckte auf und seine Augen wurde wieder größer. Kurze Zeit später fuhren wir auf einen Rastplatz. Er schlief im Auto und ich meinte zu ihm, dass ich hier draußen irgendwo einen Schlafplatz finde. Ich schlich um die Raststätte und schaute mich um. Ich suchte eine Leiter, um auf das Dach zu klettern oder eine unverschlossene Türe. Als ich nichts Passendes fand und es draußen auch nicht gerade einladend war, ging ich in die Raststätte. Auf einer Metallbank schlief ein Mann mit freiem Oberkörper. Ich bevorzugte einen besseren Schlafplatz und schaute mich weiter um. So entdeckte ich eine Schiebetüre. Sie war nicht verschlossen. Dahinter stand ein feines sauberes rotes Sofa mit Kissen. Daneben ein Wickeltisch. „Das ist für mich.“, dachte ich mir und zog die Türe zu. Ich putzte mir noch meine Zähne auf der Toilette und legte mich dann auf das gemütliche Sofa, wo ich schnell einschlief.

Auf einmal wurde die Türe aufgezogen. Helles Licht strömte in den Raum und blendete mich. Ich schreckte auf. Es war frühester Morgen und meine Mitfahrgelegenheit hatte mich schon überall gesucht. Wir brachen direkt auf, um heute noch an unserem Zielort anzukommen.

Die Straße schien endlos und ich hatte das Gefühl, so nie anzukommen.

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Irgendwann merkte der Fahrer, dass etwas mit den Bremsen nicht stimmte – genauergenommen, dass die Bremse keinerlei Wirkung zeigte. Er tratt immer wieder stark auf die Bremse und sah mich mit einem Grinsen an, als fände er das total lustig. Bald fuhren wir von der Autobahn in ein kleines Dorf auf der Suche nach einem Mechaniker. Doch es war nichts zu machen: er musste in die nächste größere Stadt.

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Ohne Bremsen fuhren wir weitere 100km in die nächste kleinere Stadt. Er bremste stets mit seiner Handbremse. Ich konnte das kaum mitansehen. Bevor er von der Autobahn fuhr, wollte ich aussteigen. Ich hatte genug von dieser Fahrt und meinte ich fahre mit einem anderen Auto weiter, da ich etwas in Eile sei. Dann wollte er wieder Geld von mir! Irgendwie hatte ich das in den letzten Stunden kommen sehen, Ich lächelte freundlich und verneinte. Ich hatte das Gefühl, er wollte zumindest sein Glück versucht haben.

Doch nun war ich wieder mit der Schwierigkeit konfrontiert ein Auto anzuhalten. Als gerade ein Taxi angehalten hatte, sah ich wie ein teurer Geländewagen einige Meter von mir entfernt gehalten hatte. Perfekt! Ich rannte zu dem Auto. Es waren Chinesen. Junge Chinesen, die ein bisschen Englisch sprachen und ein klimatisiertes Auto. Ich bekam Wasser und fühlte mich wie im Paradis. Sie nahmen mich wieder ein Stückchen mit. Als ich an der Autobahnabzweigung Richtung Osten ausstieg, erschlug mich eine Hitzewand und ich verlor vom Wind fast das Gleichgewicht. Nie zuvor hatte ich einen so starken Wind erlebt. Am Straßenrand sah ich ein endloses Feld von Windrädern. Das mussten mehrere Tausend sein. Eine gute Stelle, dachte ich mir. Und kämpfte mich Schritt für Schritt die zwei Kilometer der Auffahrt entlang. Meine Schritte waren kurz und ich brauchte dafür fast eine Stunde.

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Ein weiterer Geländewagen mit Chinesen nahm mich mit und wir fuhren an dem riesigen Feld unzähliger Windräder vorbei.

Bei einer Autobahn-Polizei wurde ich abgesetzt. Die Polizisten halfen mir problemlos ein weiteres Auto zu finden und ich kam nach Turpan.. Ein historischer Oasenort, vor dem mich mehrmals gewarnt wurde. Hier lieg der tiefste Punkt der Erde, noch tiefer als am Toten Meer. Es sei unfassbar heiß und um diese Jahreszeit, könne man sich dort eigentlich kaum aufhalten. Tatsächlich hatte es um 20 Uhr noch 42 Grad.

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In dem Ort fand ich nichts Interessantes und freundete mich stattdessen mit ein paar jungen Uyguren an, dann lief ich zurück zur Autobahn.

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Das nächste Auto das mich mitnahm, war eine junge Familie, die mich unbedingt in ihre Stadt Shan-Shan zum Essen einladen wollte. Ich sagte zu und wir gingen mit einer weiteren Freundin in ein edles Lokal. Auf dem Weg dorthin beeindrucken mich riesige Sanddünen am Stadtrand.

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Nach dem leckeren Essen fanden sie in einem Park einen perfekten, etwas versteckten Platz für mich. Hier konnte ich mein Zelt aufbauen. Dazu gaben sie mir noch eine große Melone und ihre Handynummer. Falls ich irgendetwas brauche oder morgen wieder zur Autobahn wolle, solle ich einfach anrufen. Nachdem wir uns verabschiedet hatten, setzte ich mich vor mein Zelt und genoss die Stille. Plötzlich spürte ich meine Erschöpfung. Es war das erste Mal seit ich aus Kashgar aufgebrochen war, dass ich eine Pause hatte und Ruhe spürte. Ich legte mich auf meine Alu-Matte und nahm  die Ruhe und die Freiheit wahr. Die Luft war nun angenehm und ich atmete tief während ich an die letzten Tage dachte. Es ist kräftezehrend und es passiert immer so viel. Ein Abenteuer und ein Eindruck jagt den nächsten. Dazwischen bleibt selten Zeit das Erlebte zu verarbeiten.

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